Einführung in die Knastkritik

Mit diesem Text wollen wir zum Einen über die eurozentristische Geschichte von Knästen und angewandte Straf- und Foltermethoden informieren und zum Anderen die Bedeutung des Knastsystems für den Kapitalismus bloßstellen. Dabei soll dies als Einführung in das Thema, weniger als tiefgründige Analyse dienen, um somit einen grundlegenden Baustein unseres Tuns verständlich zu machen und zu weiterer Solidarität aufzurufen.

 

Historische Entwicklung der Gefängnisse

Die Frühzeit

Die wahrscheinlich ersten Gefängnisse in der Frühzeit waren einfache Erdlöcher, in welche die festzusetzende Person „geworfen“ wurde. Der Zweck hierbei war es, die Gefangenen solange festzuhalten, bis sie ihrer Strafe oder Opferung zugeführt wurden. Da es noch keine staatliche Gerichtbarkeit gab, lag alles im Ermessen des Oberhauptes der Gemeinschaft oder der Familie, wobei es sich meist um einen Patriarchen handelte. Im späteren Verlauf wurden aus den Erdlöchern Privatkerker in den Kellern der Häuser.

Die Antike

Im antiken Rom und Griechenland erfüllten die Gefängnisse den Zweck vermeintliche „Straftäter*innen“ solange festzuhalten, bis ein öffentliches Urteil gefällt wurde und die Bestrafung stattgefunden hat. Mensch kann dies mit der heutigen Untersuchungshaft vergleichen. Der Freiheitsentzug galt also nicht als eigentliche Strafe. Die Strafen der sog. Feinde der Gesellschaft waren körperlicher Natur wie z.B. Folter, Ehrenstrafen, Verbannung oder der Tod. Handelte es sich um kleinere Vergehen gegen die gesetzliche Norm, wurden Geldstrafen erlassen. War es nicht möglich diese zu zahlen, konnte die Strafe in Form von Sklavenarbeit geleistet werden. Dies galt als Körperstrafe und nicht als Freiheitsstrafe (Sklav*innen hatten im alten Rom zum Teil mehr Rechte als Gastarbeitende). Dieses Strafrecht wurde bis ins Mittelalter angewandt, genauer gesagt die „Corpus luris Civilis“ von 542.

Das Mittelalter

Im Laufe der Jahrhunderte etablierten sich u.a. „Burggefängnisse“, welche die Gefangenen bis zur eigentlichen Strafe festhielten, welche Folter, Peinigungen und Todesstrafen sein konnten. Auch die Kirche spielt in der Geschichte der Knäste eine bedeutende Rolle. In den Klostergefängnissen sollten die Insass*innen Reue und Sühne für ihre Taten lassen, da sie aus Sicht der Kirche gesündigt hatten. Sie sollten so ihren Weg zu Gott wiederfinden. Im 16. Jhd. initiierte Martin Luther die ersten staatlichen Gefägnisse, da Evangelen nicht in katholischen Gefängnissen landen sollten. Dadurch wurden in Rathäusern und Türmen vermehrt Knäste installiert, die der Gefangennahme von „Straftäter*innen“ bis zu ihrer Strafe dienen sollte. Ab dem Jahre 1555 öffneten die ersten sog. Zuchthäuser, sie dienten nicht der Bestrafung „Krimineller“, sondern der Wiederherstellung von Arbeitsmoral bei Erwerbslosen, wobei es sich oft um ehemalige Krieger, wie z.B. Kreuzfahrer oder andere sog. „Randgruppen“ handelte, die nicht in das öffentliche Bild passten und ihren Lebensunterhalt durch u.a. Betteln und Wegelagerei erwirtschaften mussten. Ziel war es hier, die Insass*innen zu produktiven Mitgliedern der Gesellschaft zu machen. Priviligierte Personen, die das Gesetz gebrochen haben, wurden lediglich unter Hausarrest gestellt. Das stellte die luxuriöse Form der Freiheitsstrafe dar. Als im 18. Jhd. die kirchlichen Gefängnisse schlossen, wurden vor allem unverheiratete Frauen,Sexarbeiter*innen oder Bettler*innen in Zuchthäuser gefangen genommen.

Das 19. Jahrhundert

Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nationen besaßen die einzelnen Territorien eigene Strafrechte. Kritik am Strafrecht, Zuständen der Gefängnisse, sowie neuen Verordnungen, führten zu Änderungen im Strafsystem. Die Freiheitsstrafe wurde nun fokussiert, um die Insass*innen zu Gehorsam gegenüber den Herrschenden zu erziehen. Hierfür wurden sechs Grundprinzipien geschaffen:

  • Unterscheidung besserungsfähiger Straftäter*innen und unbelehrbarer Kriminelle
  • Trennung von Untersuchungs- und Strafhaft
  • Ansätze einens Stufenstrafvollzuges
  • Erziehungs und Besserungsgedanken
  • Arbeiten als pädagogische Maßnahmen
  • Unterstützung nach der Entlassung

Ebenfalls wurden die Gefangenen nun nach Altersgruppen, Geschlecht sowie nach psychischer Gesundheit getrennt. Ab 1871 galt das preußische Strafrecht im gesamten Kaiserreich.

Das 20. Jahrhundert

Zu Zeiten der Weimarer Republik wurden weitere körperliche Strafen abgeschafft. Es kam in der NSZeit zu einem Backclash, es wurde voll und ganz auf öffentlich harte Strafen gesetzt. Dies sollte zur Sühne der Täter*innen führen, hierbei wurden vermehrt die Täter*innen als Personen in den Fokus gestellt und nicht die Tat an sich.Die Situtation in den Gefängnissen verschlimmerte sich im gegensatz zur Weimarer Republik um einiges, die Essensrationen wurden gekürzt, das Beschwerderecht weiter eingeschränkt,die sanitären Bedingungen verschlechterten sich, was sich durch die Überbelegung der Knäste noch einmal mehr zuspitzte.Hinzu kam es zu Kastrationen und Sterilisationen. Vorallem die öffentliche Zurschaustellung von Täter*innen wurde vor allem bei politischen Gegener*innen bevorzugt, deren Bestrafung oftmals die Deportation in die mörderischen Konzentrationslager darstellte. Nach der Befreiung Deutschlands vom nationalsozialistischen Regime waren die Gefängnisse überfüllt und die Wärter*innen, sowie die Regierungen der BRD und DDR mit der Situation überfordert, Willkür und Folter waren weiterhin an der Tagesordnung. In der DDR hatten Knäste das Ziel Gefangene wieder auf eine parteitreue Linie zu bringen und „Kontrarevolutionäre“ einzusperren, um diese psychisch zu brechen. Parteinahe und „linientreue“ Gefangene wurden oft auf Bewährung frei gelassen bzw. erhielten mildere Strafen. Mit dem Zusammenbruch der DDR übernahmen die „neuen Bundesländer“ das Strafrecht der BRD. In der BRD wurde das Strafrecht aus der NS-Zeit übernommen, einzig die „Volksschädlings-Strafordnung“ wurde gestrichen. Durch die Einführung des Grundgesetzes 1949 wurde die Todesstrafe abgeschafft. 1957 wurde die Bewährungstrafe eingeführt und 1977 ein neue Strafvollzugsordnung in Kraft gesetzt. Selbst ernanntes Ziel dieser Verordnung war die Allgemeinheit vor Straftaten zu schützen und die „Resozialisation“ von Strafgefangenen. Die letzte nennenswerte Änderung im Strafvollzug geschah 2013 nachdem das Bundesverfassungsgericht die Sicherungsverwahrung in seiner damaligen Form als verfassungswidrig erklärte, jedoch änderte sich für die Gefangenen damit kaum etwas. 2004 wurde in Spanien das sogenannte „FIES System“ eingeführt. Dieses Strafsystem richtet sich vor allem gegen politische Aktivist*innen, aber auch gegen Drogendealer*innen oder bewaffnete Gruppierungen. Dieses System basiert auf permanenter physischer und psychischer Folter, zum Beispiel durch ständige Schläge der Wärter*innen oder regelmäßige Durchsuchungen und Leibesvisitationen. Zudem werden Betroffene vollständig isoliert gefangen gehalten. Dies alles soll der Niederschlagung jeglicher Kritik dienen.

 

Analyse des Wandels                         

Wie wir an der Geschichte sehen können, hat ein Wandel im Strafsystem stattgefunden und damit hat sich auch die Bedeutung der Knäste verändert. Früher dienten sie dazu, die angeklagte Person an der Flucht zu hindern, bis sie ihrer Bestrafung zugeführt werden konnte, heute sind die Knäste ansich die Strafe. Der Wandel zu dieser Strafform wird mit einem neuen Maß an Humanität erklärt diesem ist nicht so. Der eigentliche Grund für den Wechsel des Strafsystems ist ein anderer: es wurde nicht erkannt, dass Strafen nicht abschrecken. Wie sollen sie auch die Person abschrecken, welche sich das Brot nimmt, um nicht zu verhungern?

Es wurde erkannt, dass unbequeme Meinungen nicht verschwinden, wenn eine Person den Kopf verliert.Deswegen ist es aus staatlicher Logik sinnvoller, die Menschen zu brechen und sie zu bekehren. Dies kann zu einer Spaltung, bis hin zur Auflösung der unbequemen Bewegung führen, wenn ihre einstigen Verfechter*innen gegen diese argumentieren. Ein weiterer Vorteil ist gegeben: man gibt sich den Anstrich des Humanismus, da man auf körperliche Bestrafungen oder sogar die Todesstrafe verzichtet, wodurch die notwendige Akzeptanz in der vermeintlich aufgeklärten Gesellschaft gegeben ist.

Eine Spaltung der Gefangenen gelingt leider viel zu oft, statt dass diese zusammen solidarisch kämpfen und die Mauern, die sie einsperren, einreissen. Täglich kommt es zu Gewalt unter Freiheitsberaupten. Wehren sich Menschen in den Knästen gegen dieses System und versuchen andere Insass*innen über die Missstände zu informieren bzw. gar eine Systemkritik ihren Mithäftlingen mitzugeben, nutzt der Staat die Isolationshaft, um die „Störenfriede“ von den anderen zu trennen und damit jegliche Beeinflussung zu verhindern.Nach einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstitutes waren 25% der befragten Insass*innen Opfer von Gewalt, ausgeübt durch Mithäftlinge. Deutlich wird dabei auch, dass Gefängnisse dem Zweck dienen, die Gefangenen in eine Rolle innerhalb des Systems zu drängen, sich dem Kapitalismus unterzuordnen und ihm zu gehorchen. Wer sich unterordnet und sich anpasst, wird belohnt (Stichwort Bewährung und frühzeitige Haftentlassung), wer seinen revolutionären Geist behält, wird lebenslang weggesperrt. Sicherungsverwahrung, das von der Politik geliebte, von Goebbels 33 eingeführte, Gesetz, findet dann schnell Anwendung. Jährlich sterben hunderte Menschen in Knästen, viele in der Sicherungsverwahrung.

Aber was ist im Sinne der kapitalisten Herrschaft besser als ein totes revolutionäres Subjekt oder ein toter revolutionärer Geist? Was den Menschen als „Resozialisierung“ verkauft wird, ist nichts anderes als der Versuch einer Gehirnwäsche, um den Betroffenen das Wertesystem des Kapitalismus einzuimpfen.

Kurzer Einblick: „Brainwashing“

Schon früher versuchten Regierungen mithilfe der Verhaltensbiologie die Wunderwaffe der Gehirnwäsche zu finden. Ein bekanntes Beispiel ist der Psychiater D. E. Cameron. Dieser hatte sich zum Ziel gemacht, mit Hilfe von Elektroschocks und Schlafmitteln, das Gehirn soweit zu homogenisieren, dass nur noch die „guten“ Eigenschaften erhalten bleiben. Viele Experimentator*innen versuchten sich an Methoden wie dieser, um das Gehirn der Probant*innen neu zu kalibrieren. Alle Fachbereiche der Wissenschaft versuchten ihr Glück von der Biologie über die Psychologie oder die klassische Medizin. Geld war genug da, Regierung und Militär erhofften sich eine neue Kriegswaffe zu schaffen und die öffentliche Ordnung aufrecht zu halten, um das System zu stabilisieren und ihre Macht zu erweitern. Vorallem während des Kalten Krieges in den 50er/60er Jahren war die Fachliteratur der Psychologie voll mit Artikeln zum Thema „Brainwashing“. Ein besonderes Augenmerk legten die Forscher*innen auf China, da etwa 70% der Kriegsgefangenen Geständnisse ablegten oder gar Petitionen gegen den Krieg in Asien unterschrieben. In China gab es keine klassischen Gefängnisse, sondern nur „Neuerziehungszentren“ oder „Krankenhäuser für ideologische Reform“, in diesen sollten Kriegsgefangene oder sogenannte Konterrevolutionäre, auf ParteiLinie gebracht werden. Linton schrieb 1961: „Bei der Behandlung von Kriminellen sollen regelmäßig folgende Methoden angewandt werden: erzieherische Studienklassen, individuelle Gespräche, das Studieren der dem Kriminellen zugeschriebenen Dokumenten, organisierte Diskussionen, in denen er angehalten wird, seine Schuld einzugestehen und dem Gesetz zu gehorchen, und in denen über politische und aktuelle Ereignisse diskutiert wird und wo er zu produktiver Arbeit und zu einer neuen Kultur erzogen wird, um auf diese Weise die Natur seines Verbrechens zu enthüllen, seine kriminellen Gedanken gründlich auszulöschen und neue moralische Werte zu verankern.“

Diese psychologische Behandlung wird eingepflegt in ein mannigfaltiges System, welches die Saat des Misstrauens unter den Häftlingen sät. Hierbei werden z.B. unter den Gefangenen Rekruten zur Führung von Gruppen ernannt und Offiziere degradiert. Den aktuell Leitenden wurde die Bestrafung der Mannschaft angedroht, wenn dieser nicht kooperiert. Tat er es, wurde er vor der Mannschaft bloßgestellt. Dies führte dazu, dass es zu keiner Solidarität unter den Gefangenen kam und die Autoritäten anerkannt wurden. Ähnliche Mechanismen werden auch in den Knästen der BRD genutzt. Die Gefangenen sollen mit Hilfe von Psycholog*innen resozialisiert werden. Die Antworten, die mit Hilfe der Ärzt*innen gefunden werden, sind selbstverständlich nicht der eigentliche Grund für das „Fehlverhalten“ des Menschens, sie sind darauf aus, die Fehler beim Menschen zu suchen, welcher im System nicht klar kommt, anstatt das System als grundlegenden Fehler zu erkennen.

Wie weiter?

Was wir nicht vergessen dürfen ist, dass Knäste selbst als Mühlen des Kapitalismus dienen. Wir wollen hier nicht darauf eingehen, dass die Gefangenen selbst für Strom z.B. für ihren Wasserkocher aufkommen müssen, überzogenen Telefongebühren zahlen müssen bzw. die Produkte im Knastsupermarkt zu viel zu überhöhten Preisen angeboten werden.

Wir wollen darauf hinweisen, dass der uns umgebene Kapitalismus nicht vor den Knastmauern halt macht. Die Gefangenen werden von den Knastbetreiber*innen weiter ausgebeutet. Ihre einzige Möglichkeit dem Knastalltag zu entfliehen, ist die Arbeit in den Gefängnissen. Hier arbeiten sie 8 Stunden am Tag, 5 Tage die Woche und erhalten gerade mal 13€ pro Tag. Solche billigen Arbeiter*innen sind sonst nur schwer in Deutschland zu finden, da mittlerweile ein gesetzlicher Mindestlohn außerhalb der Knastmauern eingeführt wurde. Somit wird in den Gefängnissen eine weitere Gruppe von prekarisierten Arbeiter*innen erschaffen, doch solidarisieren sich prekarisierte Arbeiter*innen außerhalb der Knastmauern nur selten mit den gefangenen Arbeiter*innen. Die Mauer führt eine Spaltung herbei, die Gefangen werden marginalisert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt.

Lasst uns diese Spaltung aufbrechen und solidarisch gemeinsam gegen den Kapitalismus kämpfen!

Für eine Welt ohne Knäste! Für die befreite Gesellschaft!

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